Der Tod ist das Ziel einer Aufgabe
Sterbenden vermitteln, dass sie in ihrer letzten Lebensphase nicht allein sind, wollen die ehrenamtlichen Sterbebegleiter des Hospizvereins – und darauf am heutigen Welthospiztag aufmerksam machen. Die Szene ist nachgestellt. Sterbenden vermitteln, dass sie in ihrer letzten Lebensphase nicht allein sind, wollen die ehrenamtlichen Sterbebegleiter des Hospizvereins – und darauf am heutigen Welthospiztag aufmerksam machen. Die Szene ist nachgestellt. Foto: WAZ, Jakob Studnar Ehrenamtliche Sterbebegleiter wollen dazu beitragen, dass Menschen ihr Ende möglichst friedlich und entspannt erreichen
An ihren ersten Kontakt mit dem Tod kann sich Brunhilde Duffner gut erinnern. „Ich war erschüttert“, sagt die 60-Jährige, die sich damals in der Ausbildung zur Altenpflegerin befand. Nicht, weil sie erleben musste, wie ein Mensch starb – sondern darüber, wie damit umgegangen wurde. „Du hast ja keine Handschuhe an“, habe man sie angefahren. „Aber mein Kopf wusste, dass ich das nicht brauche. Mir war klar, dass mein Tun okay ist.“
Ein Erlebnis, das Brunhilde Duffner nachhaltig beeindruckt hat – und Auslöser dafür war, dass die Leiterin der Caritas-Tagespflege seit vier Jahren ehrenamtlich für den Hospizverein arbeitet: als Sterbebegleiterin. Eine Aufgabe, deren Ziel der Tod ist. „Wenn ich dazu beitragen kann, dass dieses Ziel friedlich und entspannt erreicht wird“, sagt sie, „dann kann ich mich für diesen Menschen freuen. Dieses Dabei-Sein ist das Größte, was ich für einen Menschen tun kann.“ Was nicht heißt, dass ihr die Begleitung Sterbender nicht unter die Haut geht. „Aber man gewinnt auch viel für sich selbst. Aus Mutter-Theresa-Motivation macht das keine von uns.“
Uns – damit meint Brunhilde Duffner die rund 35 Ehrenamtlichen, die für den Hospizverein als Sterbebegleiter tätig sind. Was sie eint, bringt Angelika Birschmann auf den Punkt, die erst vor kurzem den Befähigungskurs zur Sterbebegleiterin absolviert hat: „Wir wollen das Thema Sterben nicht mehr totschweigen.“ Zu den Ehrenamtlichen gehört auch die ehemalige Buchhalterin Ulla Neudorfer, die bereits seit 1996 im Einsatz ist. „Neugier“, sagt die 69-Jährige, sei ihr Beweggrund gewesen. „Der Mensch ist für mich das Spannendste – sonst hätte ich ja auch Basteln gehen können.“ Natürlich seien da Gedanken wie ,Kannst du das überhaupt´ oder ,Macht der Tod dir keine Angst´ gewesen, „aber das Thema ist mir wichtig. Nicht zuletzt, weil ich mich selbst im letzten Drittel meines Lebens befinde“.
Zuwendung, Zuhören und Sterbenden vermitteln, dass sie nicht allein sind – das macht den Großteil der Sterbebegleitung aus. Dazu gehört aber auch die Betreuung der Angehörigen. „Wir als Fremde können oft gerade deshalb helfen, weil wir keine Familienangehörigen sind“, weiß Gesine Maurer, hauptamtliche Koordinatorin des Hospizvereins. „Angehörige wollen, dass der Sterbende bleibt, empfinden es als Verrat, wenn er sein Ende akzeptiert hat. Ihnen können wir im Idealfall helfen loszulassen.“
Wichtig sei eine professionelle Distanz zum Geschehen: „Wenn es auf den Tod zugeht, wird es dramatisch in den Familien. Man darf sich nicht in diese Dynamik reinziehen lassen, denn man macht das nicht als Privatperson.“ Als „eine Form von Abgrenzung“ beschreibt es Ulla Neudorfer: „Ich begleite jemanden auf Zeit und gebe ihn wieder ab.“ Persönlich nehmen dürfe man Erlebnisse mit Sterbenden nicht: „Ich habe mal einen Mann betreut, der richtig wütend war und sagte ,Ich könnte Ihnen jetzt eine reinhauen´. Dem habe ich vermittelt, dass sich seine Wut gegen alles richtet – und damit war´s gut.“
Welchen Gewinn ziehen die Ehrenamtlichen aus dieser Arbeit? „Man erfährt, wie begrenzt das Leben ist – und schätzt mehr, was man hat“, sagt Gesine Maurer. Für Ulla Neudorfer ist es „Gelassenheit, ein In-Sich-Ruhen, die Fähigkeit, Unbedeutendes von Bedeutendem zu trennen. Ich habe erlebt, dass es für viele Menschen auch etwas Beglückendes ist, am Ende eines Weges angekommen zu sein“. Und ein Stück weit haben sie alle die Angst vor dem eigenen Tod verloren. „Wenn ich an mein eigenes Ende denke, spüre ich eine gewisse Gelassenheit“, sagt Brunhilde Duffner und ergänzt: „Das Leben ist so phantastisch – das Sterben kann nicht weniger gut sein.“
Annette Wenzig