Den Sterbenden im Blick

Wattenscheid. Die Akzeptanz des Hospizgedankens in der Bevölkerung wächst: Das zeigt sich nicht nur an der Mitgliederzahl des Hospizvereins, sondern auch an der Zahl der Sterbebegleitungen.

Mit seinem „Projekt 300+“ war Hospizverein-Geschäftsführer Siegfried Schirmer schneller erfolgreich, als er es für möglich gehalten hätte: Bis Jahresende wollte er die Mitgliederzahl von 270 auf mehr als 300 steigern. Erreicht hat Schirmer das Ziel bereits Anfang Juni: „Daran merkt man, dass die Akzeptanz in der Öffentlichkeit gestiegen ist.“

Das 50. neue Mitglied hat der Hospizverein im November aufgenommen: Klaus Blum, Allgemeinmediziner mit zusätzlicher Palliativ-Ausbildung (Foto rechts).

Der 43-Jährige wird Anfang kommenden Jahres die Praxis von Dr. Franz Clemens übernehmen, der in den Ruhestand geht. „Dr. Clemens war 1994 eines unserer ersten Mitglieder“, erinnert sich Siegfried Schirmer. Mit Klaus Blum, Dr. Bettina Claßen, Dr. Klaus Egen und Dr. Jürgen Thomas haben dann vier der insgesamt sieben Bochumer Ärzte mit einer Zusatz-Ausbildung in Palliativmedizin ihre Praxis in Wattenscheid.

Mit Herzblut für umsonst

„Die Vorstellungen der Palliativmedizin werden von immer mehr Ärzten angenommen“, weiß Klaus Blum. Die Diskussion über Sterbehilfe habe das Thema in den Focus gerückt und den Hospiz-Gedanken mehr nach außen getragen. Für Blum selbst stellte ein Vortrag über die Symptomkontrolle bei Krebserkrankungen im Jahr 2000 die Initialzündung dar. „Vorher wusste ich grade mal, wie man Palliativmedizin schreibt“, erinnert er sich. „Nach dem Vortrag habe ich mir gesagt: Als Hausarzt gehört das zu deinen originären Aufgaben.“ Allerdings stehe die Sterbebegleitung bei Allgemeinmedizinern nicht auf dem Abrechnungsschlüssel: „Viele machen das mit Herzblut für umsonst.“

Den Palliativauftrag wahrzunehmen, das bedeutet für Klaus Blum, sich beispielsweise mehrfach zu überlegen, ob er einen todkranken Patienten noch einmal ins Krankenhaus einweist, wenn es für den Patienten zu belastend wäre. „Dieses Bewusstsein muss sich durchsetzen“, fordert der Allgemeinmediziner, „denn es geht dabei um Lebensqualität. Es geht oft nicht mehr darum, welche Chemo man macht, sondern, ob man überhaupt noch eine macht.“

Enge Verzahnung mit dem Palliativnetz

Die enge Verzahnung mit den Medizinern im Palliativnetz Bochum hat auch dem Hospizverein Zulauf gebracht: „Während unsere Ehrenamtlichen in den vergangenen Jahren durchschnittlich 50 Menschen psycho-sozial begleitet haben, sind sie in diesem Jahr bereits bei 80 Begleitungen im Einsatz“, berichtet Koordinatorin Christel Müller-Ovelhey. „Die Hilfe fließt durch das Netz einfach von mehreren Seiten – und die Angehörigen können wählen, was sie davon wollen.“

Die Netzpartner haben es sich zum Ziel gesetzt, schwerstkranke und sterbende Menschen zu begleiten, um ihnen ein schmerzfreies Leben und ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Kontakt: 0800/725 54 28 48. Weitere Info auf www.palliativnetz-bochum.de im Internet. Der Hospizverein Wattenscheid ist wochentags von 9 bis 12 Uhr unter 933 55 55 zu erreichen, in dringenden Fällen unter 0171/757 19 94.

Nächstes Ziel des Hospizvereins sei es, „das Netz nicht nur über Privathaushalte, sondern auch über Altenheime zu werfen“. Mit drei Wattenscheider Alten- und Pflegeheimen, dem CMS-Wohnstift, dem Elsa-Brändström-Haus und St. Elisabeth-von-Thüringen habe man bereits Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen. „Sie sehen ein wechselseitiges Lernen von ehrenamtlichen Hospizdienstlern und professionellen Pflegekräften vor“, erklärt Müller-Ovelhey.

Ziel sei die Verbesserung der Begleitung Sterbender in Heimen, aber auch die Etablierung von Infoveranstaltungen für Angehörige. „Es ist extrem wichtig, eine Kultur des Sterbens in Altenheime zu tragen“, betont die Koordinatorin. Wichtig sei dabei immer auch die Entlastung von Angehörigen: „Wir haben den Sterbenden im Blick, aber auch immer denjenigen, der weiterleben muss.“

Annette Wenzig

Foto: WAZ